Eine Bühne für verpasste Gelegenheiten: wenn Spontaneität zu einer Schleife von Klischees wird.
- mbfinancementoring
- 9. Dez.
- 1 Min. Lesezeit
Vor ein paar Tagen besuchte ich eine Veranstaltung, bei der Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen ihre Erkenntnisse präsentierten. Sie alle folgten demselben unausgesprochenen Drehbuch: distanzierte, unvorbereitete Reden, voll von Floskeln wie „Ich spreche jetzt aus dem Herzen“ und „Das war’s dann auch schon“. Irgendwie versuchten sie alle, witzig und sympathisch zu wirken.
Das Ergebnis? Eine Symphonie der Klischees, in der jeder Sprecher in seinem Bestreben nach Unbeschwertheit – mit kreativen Variationen in der Intonation – genau das Gleiche wiederholte wie der vorherige.
Ich vestehe, dass ich inmitten dieses Marathons aus Improvisation und Copy-Paste die Reden verpasst habe, die wirklich Eindruck hinterlassen haben. Erinnern Sie sich an sie? Die, die einen zum Nachdenken anregten, die einen noch Tage später beschäftigten? Es war ein Ritual: akribische Vorbereitung, eine klare Botschaft, strategische Pausen, das Papier in der Hand als stiller Zeuge der Sorgfalt und Bedeutung, die der Redner diesem Moment beimaß. Es war fast eine Zeremonie – etwas zwischen einem TED-Talk und einem Gedichtvortrag. Eine Kunstform.
Im Zeitalter der TikTok-Aufmerksamkeitsspannen scheint Tiefgang fast schon ein Verbrechen, ja eine Schande geworden zu sein. Die vorherrschende Meinung ist, dass alles in sieben Sekunden passen, witzig sein und am besten mit einem Meme unterlegt sein muss. Doch was ist, wenn das Thema mehr als nur eine Pointe verlangt?
Darüber sollte man nachdenken: Unprätentiösität muss nicht bedeuten, unvorbereitet zu sein. Vielleicht ist es an der Zeit, wieder Entwürfe auf Papier oder in einem Notizbuch zu verfassen und sich auf Referenzen statt auf Trends zu verlassen.
Wahre Kühnheit liegt vielleicht darin, den Mut zu haben, nachzudenken, bevor man spricht.

Juliana Albanez
Referent – Experte für Kommunikation und Vertrieb.





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